Für einmal mehr gibt es etwas ganz anderes als ein klassisches Konzert im Studio GDS: Dominic Oppligers Lesung von «giftland» zusammen mit Anuk Schmelchers Harmoniumspiel thematisiert vieles und noch mehr, aber unter anderem, dass Zeitwahrnehmung so relativ sein kann wie etwas relativ nur sein kann: dauert das schon lange oder hat es noch gar nicht richtig angefangen? Da ist sich auch «giftland»-Protagonist Sämi bald nicht mehr sicher. Relativ sicher hingegen ist, dass mensch für die Erfahrung relativer Zeitwahrnehmung nicht zwingend an eine musikalische Lesung eines relativ monoton vorgetragenen Mundarttextes in Kombination mit einem relativ verrückt obertönenden Harmonium gehen müsste. (Aber mensch könnte). Und würde mensch es tun, böte sich Gelegenheit zu bezeugen, wie die zwei Klangquellen Oppliger und Schmelcher entspringen und zu einem gleichzeitig schnell und langsam fliessenden Strom werden. Ein Strom, der Zuhörende mitreisst, sie gemütlich treiben und unvorsichtig werden und in Strudel geraten lässt, sie hinabsaugt und durch die unterirdischen Höhlen und durchfluteten Gänge von Sämis Tour-Martirium schleudert, bevor sie wieder unversehens zurück an die Oberfläche gespuckt werden. Zum Verschnaufen. An die Sonne, in den strömenden Regen. Zum Luftschnappen. Unter eine Mittelland-Wolkendecke. Wieviel Zeit ist vergangen? Wann hat es angefangen? War es eine kurze oder eine lange Stunde? War es überhaupt eine?
«giftland» ist einerseits die in Mundart erzählte Geschichte des Schlagzeugers Sämi, der mit einer Schweizer Rockband durch die USA tourt, andererseits eine tragikomische Demontage des amerikanischen Traums. Sämi, dem das ersehnte «On the road» bald zur schalen Routine wird, flüchtet sich auf der Rückbank des Tourvans in Wahrnehmungs- und Gedankenloops. Und während der Van Tag um Tag über Highways rast, ist für Sämi bald nicht mehr klar, ob die Räder vorwärts oder rückwärts drehen müssten, damit er irgendwann noch vom Fleck kommt.
Literaturpodcast einsiebendrei mit Marion Regenscheit, Christoph Keller, Lucien Haug zu «giftland», Folge 39 open.spotify.com/episode/3I7XKwylFwPHFkWetAEcFw?si=4605687174ec4663
Seit 2014 sendet Studio GDS jeden Donnerstag Livemusik über den Äther. In unserem Sender kann dabei in intimster Wohnzimmeratmosphäre Neues entdeckt werden. Die Bandbreite reicht vom skandinavischen Singer/Songwriter-Ensemble über die Jazzband mit Hiphopfeature bis hin zur Embracher Elektronik-Orgie. Nach den Konzerten übernehmen jeweils die GDS-Resident-DJs rund um Chrigi G. us Z. die Decks.
Do. 08.02.24
Bar & Garten ab 20h
Lesung ab 21h
Bitte nutzt unseren Vorverkauf: gdsfm.payrexx.com/pay?tid=24964a83
Eintritt 15.– / 5.– für Vereinsmitglieder
Sender, Kurzgasse 4, 8004 Zürich
Unser Lokal ist cashless.