Wir haben es ja auf GDS.FM bereits zum Jahresausklang angekündigt: 2016 wird ein sagenhafter Jahrgang für die Schweizer Musikszene. Es stehen Alben an von äusserst vielversprechenden und auch ausgiebig mit ihrer Musik beschäftigten Künstlern wie Pacifica (Debut auf Drumpoet Community), Lexx (langersehntes Album wahrscheinlich auf Phantom Island), allenfalls Jack Pattern (auf ihrem eigenen Imprint Lustpoderosa), Melodiesinfonie, Len Sander (eine neue EP erscheint im April), True, Jimi Jules, Kalabrese und von vielen, vielen mehr. Einer der Knaller wird nun gleich zu Beginn des Jahres abgefeuert: Pablo Nouvelles mit Spannung erwarteter Zweitling. Das definitive Coming-of-age-Werk des 30-jährigen Produzenten, der Beweis, dass der Exilberner nun tatsächlich auch international abräumen kann.
Man braucht in „All I Need“ nur mal kurz reinzuhören, um mizukriegen, dass es sich tatsächlich um dasjenige Schweizer Album handelt, auf das man ewig lange gewartet hat. Endlich erscheint hierzulande wieder einmal Musik, die mit den ganz Grossen vorne mitmischt; nicht in der Kategorie „zeitlos“, sondern „kontemporär“. Nämlich in der Liga, in der auch James Blake oder Nils Frahm, aber auch Howling/Âme oder Mount Kimbie mitspielen. Der zeitgenössische Sound wird auf „All I Need“ nicht einfach mitgetragen, sondern vorangetrieben. Dazu hat Nouvelle Sänger aus aller Welt bei seinen Aufnahmen in London, LA und Zürich eingeladen: Sam Wills, Norma Jean Martine, LIV, Kylan Road sind mir bisher alles unbekannte Namen, was ja keinerlei Rolle spielt, da sie sich alle den Kompositionen Pablo Nouvelle's gefühlvoll unterordnen. Der Schweizer Ausnahmemusiker James Gruntz wird unter Nouvelle's Regie plötzlich zum lasziven Crooner mit Preacherqualitäten. „Hold On“ beginnt wie die meisten Arrangements ganz leicht zurückhaltend bis dann immer wieder der Dancefloor lockt. Und auf diesem fühlt sich der vielfach mit Samples arbeitende Produzent merklich wohl, ja fast schon berechnend zu Hause. Da mutet es fast schon etwas fies an, wie „Take Me To A Place“ derart geschliffen und abgezockt daher kommt, dass man sich dazu gut und gerne die nächste Karl Lagerfeld-Modeschau vorstellen kann. Das ist Schweizer Handwerkskunst im Format eines Armeemessers: Unerreicht im Design, griffig in der Hand und von einem Mythos umgeben, der die ganze Welt in seinen Bann zieht. Andererseits haben Tracks wie „Our Love“ oder „Ave“ so viel Anmut und Tiefgang in sich, dass man „All I Need“ mindestens fünf mal durchhören muss bis man zum Schluss kommt, dass es halt doch das schlauste Album aus der Schweiz seit langer, langer Zeit ist.
STUDIO GDS - Die einzigartige Zürcher Radiosendungs- und Partyreihe geht in die zweite Runde. Jeden Donnerstag wird wieder zu fein selektierten Konzerten und DJ-Sets in den Freitag hineingetanzt und cocktailschlürfend Neues entdeckt. Auf der Tanzfläche im Kauz und on air auf GDS.FM
Von Honey-K.